Nach meinen Fehlgeburten im letzten Jahr habe ich die Unsicherheit in den Augen meiner Mitmenschen deutlich wahrnehmen können. Niemand wusste so recht mit mir umzugehen, geschweige denn, die richtigen Worte zu finden. Dabei ist es unglaublich wichtig über dieses schmerzhafte Erlebnis zu sprechen, denn nur so können Ängste und Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Mich hat nicht nur der Verlust meiner Kinder belastet, sondern auch die damit verbundenen Reaktionen.Neben Sätzen wie „..es war nur Gewebe..“ bis hin zu „Sie wissen schon, dass frühe Fehlgeburten nicht selten sind, oder?“ war alles dabei. Dabei habe ich mir so viel mehr gewünscht. Mich nach liebevollen Worten und einfachen Umarmungen gesehnt.
Es hat sich schrecklich angefühlt – die Gewissheit, dass mein Baby in die Toilette fällt.
Eltern von Sternenkindern – plötzlich ist es vorbei
Mit den Fehlgeburten im vergangenen Jahr bin ich offen umgegangen. Mir war es wichtig darüber zu reden und die Menschen aufzuklären beziehungsweise dafür zu sensibilisieren. Dabei kam es immer wieder zu Momenten, die mir sehr viel abverlangt haben und so manche Träne auf die Wange trieben.
Tatsächlich ist eine Fehlgeburt kein seltenes Phänomen. Alleine nach dem ersten Trimester gehen Statistiken von 10 bis 15 Prozent aus. Im ersten Trimester sind es 30 bis 40 Prozent. Das bedeutet, dass jede dritte Frau eine Fehlgeburt verkraften muss.
Erschreckende Zahlen, aber noch schlimmer ist, dass hinter jeder eine Frau, eine Familie steht, die mit diesem Verlust leben muss.
Man freut sich auf ein Baby, ein neues Leben, macht sich Gedanken über Einrichtung und Windeln – im nächsten Moment ist alles schlagartig vorbei.
Was man nach einer Fehlgeburt nicht sagen sollte:
- Es war das falsche Baby!
- Du solltest abnehmen, bevor du es wieder versuchst
- Zum Glück warst du noch nicht soweit
- Aber er hat doch nie gelebt
- Vielleicht sollte es so sein
- Irgendwann wird es schon klappen
- Besser als ein behindertes oder krankes Kind
- Immerhin weißt du jetzt, dass du schwanger werden kannst
- Ihr habt doch noch so viel Zeit
- Es ist doch schon x Wochen her
- Das kenne ich. Ich war auch schon einmal wegen einem Blinddarm im Krankenhaus
- Du weißt nicht, wofür es gut ist
- Das passiert ganz oft
- Ich habe auch ein Kind, ich weiß wie du dich fühlst
- Es war doch noch vor der zwölften Woche
Worte wie diese, geben einem das Gefühl, man wäre nicht wirklich schwanger gewesen. Immer wieder durfte ich mir anhören, dass man in der Frühschwangerschaft noch keine Bindung zu seinem Kind aufbauen konnte. Demzufolge sei es übertrieben zu trauern.
Zum Glück gibt es aber auch Menschen, die den Verlust und die damit verbundene Traurigkeit nachvollziehen können. Leider sind es meist jene, die selbst ein solches Schicksal durchleben mussten.
Fehlgeburten sind meiner Meinung nach nicht anders zu werten, wie der „reguläre“ Tod eines geliebten Menschen. Niemandem wird man nach der Nachricht „Mein Vater ist gestorben“ wohl mit „Du hast ja noch deine Mutter“ antworten.
Was man stattdessen zu Eltern von Sternenkindern sagen sollte ist relativ einfach. Ein einfaches „Es tut mir leid, dass du so einen Verlust erleiden musst“ reicht vollkommen aus. Man sollte den Schmerz ernst nehmen, und vermitteln, dass es in Ordnung ist, zu leiden.
Janine
Ivonne meint
Ich denke viele wollen dir gar nicht weh tun,wenn sie das sagen. Sie sind auch einfach überfordert und wissen nicht,wie sie mit der Situation umgehen sollen.
Janine meint
Ja das denke ich auch, aber es ist dennoch nicht fair, dass die Betroffene Person Rücksicht nehmen muss. Es sollten alle Seiten ein bisschen Anstand und Rücksicht zeigen
Silke K. meint
Für eine Mutter gibt es nichts schlimmeres ein Kind zu verlieren, aber manche Menschen denken einfach nicht darüber nach, wie ihre Worte beim Gegenüber ankommen
Marlene meint
Liebe Janine,
ich kann nachfühlen, wie es dir geht. Meine Tochter hat vor 1 1/2 Jahren Zwillinge verloren, es war furchtbar. Die Mädels waren perfekt und gesund. Es wurde festgestellt, dass meine Tochter eine Blutgerinnungsstörung hat und deshalb die Babies nicht behalten konnte. Sie musste sich dann täglich spritzen und ist kurze Zeit später wieder schwanger geworden – nochmal mit Zwillingsmädchen. Die sind inzwischen gesund auf die Welt gekommen und unser aller großes Glück. Was ich damit sagen will: traure, aber verzweifle nicht. Bleib stark.
Sandra Jessen meint
Liebe Janine.. Leute, die sowas sagen mussten bestimmt noch nie so einen schmerzvollen Verlust erleiden wie du und ich. Man kann sich nicht da rein versetzten, wie furchtbar das ist. Da finde ich es umso schlimmer, wenn sowas gesagt wird. Lieber dann nichts sagen, als sowas. Ich fühle mit dir.. Sandra
Richard meint
Ich finde man sollte das nicht so formulieren, dass es fast wie eine Straftat scheint, falsch zu reagieren. Das ist eine schlimme Erfahrung, aber niemand weiß, wie man damit umgehen sollte. Als ich das von meiner Schwester erfahren habe, dass sie eine Fehlgeburt hatte, habe ich sie zuerst einmal fest in den Arm genommen, aber danach wusste ich auch nicht so recht was ich sagen soll. Ich finde aber auch, dass man nicht unbedingt immer auf alles was sagen muss oder reagieren muss. Manchmal hilft meiner Meinung auch nur das füreinander da sein. Ich hoffe, dir geht es gut. Meine Hochachtung für diese Stärke.
Janine meint
Vielen Dank für deine Worte, ich empfinde es als unglaublich ekelhaft (und ja das ist es) wenn mir Menschen gegenübertreten, die einen solchen Verlust mit belanglosen Worten herunter spielen. Ich musste so viele Sätze schlucken die man zu jemanden der sein Kind verloren hat einfach nicht sagt. Es wird hier keineswegs wie eine Straftat benannt, vielmehr wie ein Aufruf mehr auf die Wortwahl zu achten. Wir sind alles Menschen, wir gehen mit dem Verlust eine geliebten Menschen anders um und wir nehmen Worte anders auf. Keiner ähnelt dem anderen und keiner hat das Recht über uns zu urteilen. Ich empfand es als sehr schmerzhaft wie über meine beiden Kinder gesprochen wurde und man mir begegnet ist. Für mich ein Unding – aber hey, ich bin ja auch nur die Frau die diesen Verlust am eigenen Leib spüren musste.
Mir geht es beschissen und ja, dieser Schmerz ist immer noch präsent. Es tut weh wie abwertend viele darauf reagieren und mit einfachen Worten ala „beim nächsten Kind klappt es bestimmt“ meinen etwas Gutes gesagt zu haben. Eine Frau die sowas erleiden musste wünscht sich nichts mehr als eine einfache Umarmung.
Lisa meint
Hallo Janine,
mein Mann und ich haben leider auch so einen Verlust erleben müssen. Wir versuchten schon 10 Jahre lang ein Baby zu bekommen und als ich mich endlich überwunden hatte und zum Frauenarzt gegangen bin sagte sie mir, dass ich mit 39 wohl keine Chance mehr hätte und ich auch schon in der Menopause wäre. Das war ein Schock, 6 Monate später hielt ich ungläubich meinen Schwangerschaftstest hoch der Positiv war, ich konnte es nicht glauben und ging zur Frauenärztin da ich dachte so ein Test aus einer Drogerie könnte ja auch was falsches anzeigen, aber nein ich war schwanger. Unser Glück hätte nicht größer sein können und wurde leider nach 8 Wochen schon wieder getrübt. Auf dem Ultraschall war nichts mehr zu erkennen… die Ärztin sagte nur naja warten sie ein paar Tage, der Abort kommt von allein. Und entließ mich… wir sind bis heute sprachlos und es fällt uns immer noch schwer miteinander darüber zu sprechen. Wir haben es Sternchen genannt und imaginär beerdigt da es in die Toilette nach ein paar Tagen abgegangen ist. Es war furchtbar und die Sätze die du oben in Deinem Blog geschrieben hast habe ich alle zu hören bekommen. Vor allem: Jetzt weißt du das du doch schwanger werden kannst jetzt nicht nachlassen! und : Du musst unbedingt abnehmen das war bestimmt der Grund warum es nicht geklappt hat… u.s.w. ich muss nicht alles wiederholen du hast das sehr treffend geschrieben. Immer noch treibt es mir die Tränen in die Augen und Filme mit glücklichen Schwangeren muss ich ausschalten obwohl schon 3 1/2 Jahre vergangen sind wird der Schmerz und die Leere nicht weniger. Tagsüber funktioniert man aber Abends ist sie wieder da. Ich wünsche Dir viel Kraft und kann es mir kaum vorstellen wie man das 2x durchmachen konnte. Ich wünsche Dir und Deinem Mann alles Gute.
Liebe Grüße
Lisa
Janine meint
Liebe Lisa,
dein/ euer Verlust tut mir unglaublich Leid. Ich kann das absolut nachvollziehen und verstehe deinen Kummer. Ich habe diese Erfahrung leider 3x machen müssen, im August dieses Jahres ist auch Ruby von mir gegangen. Seitdem habe ich nach Antworten gesucht und sie auch bekommen. Zumindest den Grund für die Verluste kenne ich, ob ich jemals ein Kind in den Armen halten kann ist jedoch nicht gesagt.
Die symbolische Beisetzung ist unglaublich wichtig und wertvoll, denn sie hilft euch bei der Trauerarbeit :) Haben wir genauso gemacht und es tat wirklich gut so einen „Abschluss“ zu haben. Es gibt eine Art Trauertagebuch (Briefe an mein Kind im Himmel – https://amzn.to/3rjeNYm ) das dabei auch sehr unterstützen kann, weil man seine Gedanken und Gefühle „geheim“ offenbart. Ich schreibe meins immer zwischendurch mal wenn ich das Gefühl habe ich brauche das jetzt.
Die Worte deiner Mitmenschen sind hart und werden leider nie enden. Es gibt immer jemanden der es besser weiß und seine klugen Ratschläge offenbaren muss. Dir bleibt da nur stark zu bleiben. Mit der Zeit prallt das an einem ab, ist in meinem Fall zumindest mittlerweile so. Ich habe gelernt offen darüber zu reden und zünde an jeder besonderen Feierlichkeit Kerzen an. Selbst jetzt an Weihnachten wird eine Kerze mit den Namen meiner Engel auf dem Tisch stehen, ich integriere sie quasi in meinen Alltag um so meinen Mitmenschen zu zeigen, dass es Menschenleben waren und nicht nur ein positiver Schwangerschaftstest. Halte durch und glaub mir, dieser Punkt wird sich zwar nicht bessern, ABER du lernst mit der Zeit damit umzugehen :)
Ich wünsche dir/ euch von Herzen, dass ihr den Verlust verarbeiten könnt und in naher Zukunft euer Wunschkind in den Armen halten könnt. Du kannst mir jederzeit schreiben, gerne auch anonym via E-Mail.
Janine
Du bist nicht allein!