Warum ich meinem Kind nicht „Nein“ sage – sondern „Wie können wir es anders machen?“

Seit mein Sohn zwei Jahre alt ist, hat sich unser Familienalltag verändert. Die berühmte Autonomiephase hat begonnen – diese magische, manchmal anstrengende, aber unglaublich wichtige Zeit, in der Kinder anfangen, sich selbst und ihre Umwelt zu entdecken. Mein Sohn ist ein wundervoller kleiner Mensch mit einem starken Willen, einem großen Herzen und einer Neugier, die mich jeden Tag aufs Neue fasziniert.

Früher habe ich oft automatisch „Nein“ gesagt. „Nein, das geht jetzt nicht.“ „Nein, das ist gefährlich.“ „Nein, du bekommst jetzt keine Schokolade.“ Doch ich habe gemerkt: „Nein“ bringt uns nicht weiter.

 

Was passiert, wenn wir ständig "Nein" sagen?

 

Kinder hören jeden Tag unzählige Male das Wort „Nein“. Aber was bewirkt es? Oft führt es zu Frust – bei uns und bei ihnen. Der Glückskeks reagierte auf ständige Neins mit Trotz, Tränen oder Rückzug. Ich fühlte mich schlecht, er fühlte sich unverstanden. Das wollte ich nicht.

Ich fragte mich: Wie kann ich mein Kind liebevoll begleiten, ohne seine Bedürfnisse zu übergehen?

 

"Wie können wir es anders machen?" - eine Einladung statt eine Grenze

 

Statt „Nein“ zu sagen, versuche ich heute, Alternativen anzubieten. Ich sage zum Beispiel:

  • Nicht: „Nein, du darfst das Glas nicht auf den Boden werfen.“
    Sondern: „Das Glas gehört auf den Tisch. Wenn du werfen willst, nimm den Ball.“

  • Nicht: „Nein, du bekommst jetzt keine Süßigkeiten.“
    Sondern: „Wir essen gleich Mittag. Danach kannst du eine kleine Süßigkeit haben.“

Diese Formulierungen sind keine Zaubersprüche, aber sie verändern die Dynamik. Sie eröffnen Lösungen, statt Türen zuzuschlagen. Mein Kind fühlt sich gesehen, gehört – und bleibt trotzdem in einem sicheren Rahmen.

 

Warum ich auf Verbindung statt auf Macht setze

 

Ich möchte nicht, dass mein Kind gehorcht, weil es Angst vor Konsequenzen hat. Ich wünsche mir, dass es kooperiert, weil es unsere Beziehung als sicher und respektvoll erlebt. Kinder, die Vertrauen spüren, lernen, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Wenn ich statt einem harten „Nein“ eine Frage stelle wie „Wie können wir es anders machen?“, lade ich mein Kind zur Mitarbeit ein. Er wird Teil der Lösung. Und das ist ein unglaublich starkes Gefühl – für ihn und für mich.

 

Natürlich gibt es Grenzen - und das ist auch gut so

 

Verzicht auf das Wort „Nein“ bedeutet nicht Verzicht auf Grenzen. Es bedeutet nur, die Art und Weise zu verändern, wie ich Grenzen setze.

Ein liebevoll gesetztes „Stopp“ ist wichtig. Es schützt. Es zeigt Orientierung. Aber es kommt auf den Ton, die Haltung und die Begleitung an. Ich bin da, erkläre, halte aus – auch die großen Gefühle meines Sohnes, wenn er frustriert ist.

Ich sage nicht „Nein, hör auf zu schreien“, sondern:
„Ich sehe, du bist wütend. Das ist okay. Ich bin bei dir.“

 

Es geht nicht um Perfektion - sondern um Haltung

 

Ich bin nicht perfekt. Ich sage auch mal „Nein“, wenn ich müde bin, wenn ich überfordert bin, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Und das ist okay.

Aber ich bemühe mich, achtsam mit meiner Sprache umzugehen, weil ich weiß: Worte prägen. Worte können verbinden oder trennen. Und ich möchte mein Kind verbinden – mit mir, mit sich selbst, mit der Welt.

 

Warum das Leben mit einem zweijährigen Kind mehr Verständnis braucht

 

Die Autonomiephase ist keine Trotzphase. Sie ist eine Entwicklungsphase voller Wachstum. Mein Sohn ist nicht schwierig, weil er Dinge hinterfragt oder ausprobiert – er entwickelt sich. Und ich darf dabei sein, darf ihn begleiten, darf ihn ernst nehmen.

Wenn ich versuche, mich in seine Lage zu versetzen, wird vieles klarer: Er will nicht ärgern – er will lernen. Er will nicht provozieren – er will fühlen, wo seine Grenzen sind.

 

Meine wichtigsten Erkenntnisse aus dem Alltag

 

  • Verbindung vor Erziehung. Beziehung ist die Basis für alles.

  • Alternativen statt Verbote. Kreative Lösungen helfen mehr als starre Regeln.

  • Gefühle begleiten statt bewerten. Mein Kind darf wütend sein – das heißt nicht, dass ich es ablehne.

  • Geduld mit mir selbst. Ich lerne auch noch. Jeden Tag.

 

Fazit: Kindern nicht Nein sagen heißt nicht, alles zu erlauben

 

Es geht nicht darum, „Nein“ aus unserem Wortschatz zu streichen. Es geht darum, bewusst zu entscheiden, wann und wie wir es sagen. Und oft gibt es eben einen besseren Weg – einen, der Beziehung stärkt, statt sie zu belasten.

Mein Leitsatz lautet heute:

„Wie können wir es anders machen?“

Er ist mein Schlüssel für eine neue Art des Zusammenlebens – ehrlich, liebevoll und voller Respekt. Für meinen Sohn. Für mich. Für uns.

with love,
Janine
share on