Gelegenheiten, mit anderen Müttern ins Gespräch zu kommen, gibt es inzwischen zu Genüge. Sei es in der Krabbelgruppe, auf dem Spielplatz oder via Social Media. Doch schnell musste ich lernen, dass nicht jede meiner Entscheidungen und Lebenseinstellungen im Hinblick auf mein Kind von anderen akzeptiert wird. Aus gut gemeinten Ratschlägen wurde Kritik. Ich wurde beschämt, herabgewürdigt und sogar massiv angegriffen. Schon in der Schwangerschaft stand ich deswegen unter großem innerlichen Druck, der sich negativ auf meine Psyche und mein Selbstwertgefühl ausgewirkt hat. Mom-Shaming nach der Geburt - ein Erfahrungsbericht.
Mom-Shaming - Die Müttermafia
Meine Frauenärztin legte mir die Worte "Lesen Sie nicht zu viel im Internet nach und meiden Sie Mama-Gruppen." ans Herz, als meine Schwangerschaft mit Baby Glückskeks offiziell von ihr bestätigt wurde. Zu jenem Zeitpunkt war ich ferner denn je von Social Media, irgendwelchen Mama-Gruppen und dem Googeln von Symptomen, denn ich musste erstmal realisieren, dass in mir ein kleines Wunder wuchs.
Irgendwann war die Neugier dann doch da und ich fing an, mich auf Social Media mit anderen (werdenden) Müttern zu verbinden und auszutauschen. Anfangs empfand ich den Kontakt noch als sehr angenehm und nützlich, doch mit der Zeit spürte ich, dass sich unsere Ansichten zum Thema Erziehung und Lebenseinstellungen deutlich voneinander unterschieden. Was ich als wichtig empfand, war für mein Gegenüber nichtig. Umgekehrt natürlich genauso.
Plötzlich war diese Leichtigkeit weg.
Ich wollte und konnte nicht mehr so offen über mein Glück reden und zog mich aus dem Austausch zurück.
Ab und zu lud ich ein Foto hoch, etwa von den neuen Errungenschaften nach einer Shoppingtour fürs Baby oder aber von einer Köstlichkeit, die mir den Moment versüßte. Immer wieder hagelte es daraufhin unerwünschte Ratschläge, wertende Kommentare bis hin zu Anfeindungen. Es waren immer werdende Mütter, die glaubten, meine Entscheidungen infrage stellen zu müssen.
"Blaue Klamotten? Was, wenn er lieber etwas mit Glitzer oder rosafarbenes tragen möchte?"
Doch auch nach der Geburt blieb ich nicht lange davon verschont. Noch auf der Wochenbettstation wurde ich von einer anderen frisch gebackenen Mutter gemobbt.
Mobbing unter Müttern
Es war der 14. Februar 2023.
Mein Sohn war noch keine 24 Stunden auf der Welt, musste die ersten Tage jedoch auf der Neonatologie verbringen, weshalb ich alleine auf der Wochenbettstation war. Mein Frühstück nahm ich wie jeden morgen im Speisesaal ein. Vor Ort saß bereits ein Pärchen mit seinem Wunder am Tisch und genoss ein paar frische Brötchen und einen Schluck Kaffee. Ich griff nach meinem Tablett, setzte mich an einen Tisch meiner Wahl und begann mein Frühstück zu verzehren. Besagtes Pärchen saß hinter mir und diskutierte lautstark über die Geburt. Mir waren die beiden nicht fremd, schließlich waren sie mit mir im Kreißsaal, genauer gesagt im Zimmer nebenan. Noah kam etwa eine viertel Stunde vor ihrem Kind auf die Welt.
Man hat sich auf dem Flur gesehen, wahrgenommen und kurz genickt. Mehr Kontakt bestand nicht.
Noch während ich in mein Brötchen biss, nahm ich plötzlich wahr, wie die beiden das Thema wechselten und auf mich zu sprechen kamen. Wohl wissend, dass ich nur wenige Zentimeter vor ihnen saß und jedes Wort mithören konnte.
Es wurde sich darüber lustig gemacht, wie ich während der Geburt schrie. Etwas vollkommen normales wurde in diesem Augenblick kritisiert. Ich wurde ins Lächerliche gezogen. Ganz ohne Scham wurde über mich, die Geburt meines Sohnes und das ganze drumherum geredet, als wäre ich nicht anwesend.
Immer wieder musste ich schlucken, konnte nicht mehr weiteressen und fing an zu zittern.
Dass eine frisch gebackene Mutter mit ihrem Mann zusammen auf einer Wochenbettstation im Essensraum saß, mit ihrem Kind an der Seite, und andere frisch gebackene Mütter dafür verurteilt, wie laut sie bei der Geburt waren - ich verstehe es einfach nicht. Mom-Shaming?!
Als Erstlingsmama ist man sehr unsicher, man lernt sich ganz neu kennen, ist plötzlich nicht mehr nur für sich alleine verantwortlich und irgendwie auch sehr verletzlich. Wenige Stunden nach der Geburt dann so bloßgestellt zu werden von jemanden, der sein Kind direkt neben sich hatte, während ich ohne dasaß, war unglaublich verletzend und erniedrigend.
Mein Sohn lag auf der Intensivstation. Ihr Kind direkt neben ihr.
Mütter sind besonders empfänglich für Sticheleien jeglicher Art
Am liebsten hätte ich mich umgedreht und die beiden auf ihr Problem mit mir angesprochen. Doch stattdessen zog ich mich in mein Zimmer zurück. Ich stand vor dem Spiegel im Badezimmer und sah mir einfach nur in die Augen. "Es ist alles okay, Janine. Du bist eine tolle Mama. Noah wartet auf dich."
Heute, ein Jahr später, fällt es mir noch immer schwer darüber zu reden. Ich wurde verletzt, mit Worten. Mit einfachen Worten.
Es ist mir unbegreiflich, warum ich in diesem Augenblick zum Opfer wurde. Warum ich diese zusätzliche Watschen bekommen habe. War es nicht schon Strafe genug, dass mein kleines Wunder einen so schwierigen Start ins Leben hatte? Statt Freude empfand ich nur noch Leere, ich fühlte mich so schlecht und schämte mich für etwas, was bei jeder Geburt normal ist. Mein Selbstwertgefühl hat dadurch enorm gelitten.
Die Folgen von Mom-Shaming sind immens!
- es können eine Vielzahl von psychosomatischen Störungen ausgelöst werden
- Schlaflosigkeit
- Verdauungsstörungen
- Depressionen
Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich mich gefragt, ob ich wohl schon selbst als Mom-Shamerin wahrgenommen wurde?
Normalerweise halte ich mich zurück was ungefragte Ratschläge etc angeht. Meine Problemlösungen behalte ich ebenso gerne für mich. Ich urteile vielleicht innerlich manchmal über andere Mütter, aber spreche es nicht aus. Auch schüttle ich nicht meinen Kopf, wenn ich beobachte, wie andere Eltern etwas vermeintlich falsch machen. Schließlich sind es meist nur kurze Momente einer anderen Familie, die wir wahrnehmen. Jede Familie ist anders. Jedes Kind entwickelt sich anders. Es hilft niemanden zu vergleichen und abzuwerten.
Stopp Mom-Shaming!
Janine
Ganz ehrlich wäre es mir passiert, oder auch eine andere Mama hätte ich sie darauf angesprochen. Wenn das nicht geholfen hätte, wäre ich zu den Schwestern oder zum Arzt gegangen. So etwas geht gar nicht. Sie sollten sich schämen . Du bist eine liebe und geduldige Mama. Freut dich auf deinen Glückskeks
Mein Mama-Herz blutet :(
Wie kann man sowas machen ?
ich hätte sie drauf angesprochen.
als ich mit meinem sohn schwanger war, lag im kreißsaal nebenan eine werdende mama, die auch geschrien hat und ich hab zu meinem Partner damals gesagt, das ich ihr wünsche das sie ihr wunder bald in den armen halten darf und fühlte mit ihr mit
bei meiner tochter hatte ich eine mama im zimmer, die über 30 stunden in den wehen lag und dann letztendlich ein kaiserschnitt bekam
wir tauschten uns aus über die geburten (meine 2., ihre erste)
über die schmerzen und den wunsch es möge zu ende gehen
verurteilt hat man sich in beiden kliniken nicht
jede frau empfindet die geburt anders und geht mit den wehen anders um
deswegen über jemanden herzuziehen, zu beleidigen oder zu verurteilen geht überhaupt nicht!
Ich bin ehrlich, jetzt so im Nachhinein sage ich mir auch oft, ich würde sie jetzt ansprechen, aber innerlich weiß ich, dass ich wohl auch ein Jahr später genauso reagiert hätte, wie ich es an diesem Tag gemacht habe.
Sie war sehr unzufrieden mit ihrer Geburt und ich war offensichtlich gerade die Wand, gegen die man schlagen und seine eigene Unzufriedenheit klatschen konnte.