Wie geht es nach einer Fehlgeburt weiter?

Hinweis: Nachfolgend berichte ich detailliert von meinen persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen - Triggergefahr!

"Frau Berger, es tut mir Leid, aber Sie sind nicht mehr schwanger." Mit leicht gesenkten Blick sah mich meine Frauenärztin an und streichelte mir sanft über das Knie. Mein Körper begann zu zittern während ich ein leises "ist okay" auf meinen Lippen wahrnahm. Immer wieder biss ich mir auf die Unterlippe um nicht lautstark loszuheulen. Überfordert zog ich an meinem Shirt bevor ich schließlich in der Umkleide stand und die Augen schloss. "Es ist okay...Janine" , nichts fiel mir schwerer, als diesen Satz auszusprechen, denn tief in mir sah längst nicht mehr alles okay aus. Mein Blick zum Boden gerichtet öffnete ich die Tür des Behandlungsraums und lief kopfschüttelnd an meinem Freund vorbei, der im Vorraum auf mich wartete. Ich schämte mich so sehr, dass ich ihm nicht einmal in die Augen schauen konnte. Vor der Praxis brach ich schließlich in Tränen aus. Ich konnte den Schmerz nicht mehr halten und offenbarte meine ganze Enttäuschung. Mein Herz war gebrochen.

 

Zyklusmonitoring nach Fehlgeburt

 

März 2019, November 2019, August 2020 - mittlerweile sind einige Wochen vergangen, doch der Schmerz sitzt noch immer tief. Seit der letzten Fehlgeburt habe ich mit starken psychischen Problemen zu kämpfen und finde nur schwer in den Alltag zurück.

Nach meiner dritten Fehlgeburt in Folge begann die Ärztin ein sogenanntes Zyklusmonitoring durchzuführen. Dabei findet eine Kontrolle eines Zyklus der Frau statt, um zu schauen, ob es Probleme gibt, die dem Kinderwunsch im Wege stehen. Dazu gehören Hormonbestimmungen und Ultraschalluntersuchungen zur Überwachung der Follikelreifung vor dem Eisprung. Es werden zudem die Hormone FSH, LH, Estradiol und Progesteron im Blut bestimmt. Zusätzlich lassen sich noch die Parameter Testosteron, DHEA , Prolaktin, Androstendion, Cortisol und das Schilddrüsenhormon TSH messen.

Um bei unerfülltem Kinderwunsch aussagekräftige Werte zur Diagnostik zu bekommen, sind drei Termine im Zyklus nötig. Beim ersten Termin (3.-5. Zyklustag) wird Blut zur Bestimmung der Hormonwerte abgenommen. Zudem musste ich einige Angaben zu Gewicht und Größe machen.

Der 2. Termin erfolgt am 10.-12. Zyklustag zur Ultraschalluntersuchung und Bestimmung der Blutwerte. 5-8 Tage nach dem Eisprung erfolgt eine weitere Blutabnahme.

Optimal wäre der Nachweis eines 18-22 mm großen Follikels in der Zyklusmitte mit entsprechenden Werten. (Estradiol- und LH-Wert)

In meinem Fall war während der Ultraschallkontrolle kein sprungbereiter Follikel vorzufinden, weshalb man die Untersuchung um einige Tage verschieben musste. Idealerweise sollten die Ergebnisse der Ultraschalluntersuchung und der Hormone im Blut zusammenpassen. Leider war das bei mir nicht der Fall, weshalb man von einer Störung im Zyklus ausgehen konnte. Hier galt es nun die Ursache zu finden.

 

Ursachen von Fehlgeburten - Auf der Suche nach Antworten

 

Anfangs war ich überrascht und verwundert, dass man nach den ersten beiden Fehlgeburten keine weiteren Untersuchungen veranlasst hat. Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass Fehlgeburten sehr häufig vorkommen.

Die Ursachen für einen sogenannten wiederholten Spontanabort können folgende sein:

  • Anatomisch: Gebärmutterfehlbildungen oder Myome (muskelgewebsartige Knoten in oder an der Gebärmutter)
  • Immunologisch: Fehlreaktion des mütterlichen Immunsystems auf den Embryo (d.h. das Immunsystem erkennt den Embryo als Fremdkörper und stößt ihn ab)
  • Hormonell: bspw. eine mögliche Schilddrüsenunterfunktion
  • Genetisch
  • Blutgerinnungsstörungen

 

Diabetes und Schwangerschaft

 

Nach dem Zyklusmonitoring Ende vergangenen Jahres stand bei mir ein zu hoher Glukosewert sowie ein leicht erhöhter Schilddrüsenwert im Raum. Letzteres liegt noch im Rahmen wird aber seither genau beobachtet. Ähnlich verhält es sich mit dem hohen Glukosewert. Ein Medikament bedarf es dafür (noch) nicht. Lediglich eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung wurden angeordnet.

Obwohl ich noch im Graubereich liege und ohne Medikamente, Spritzen, etc auskommen kann, war die Diagnose ein Schock. Ich vermeide es daher innerhalb der Familie über die Diagnose zu sprechen um lieb gemeinten Ratschlägen und "du MUSST jetzt das und das" Sätzen aus dem Weg zu gehen. Zuallererst muss schließlich ich mit der Situation umgehen können. Neben den psychischen Belastungen (Depressionen, Angstzustände, Persönlichkeitsstörung) und den vielen unverarbeiteten Fehlgeburten, ist damit ein weiterer Wendepunkt in meinem Leben eingetreten.

 

Wie geht es nach einer Fehlgeburt weiter?

 

Die effektivste Maßnahme bei wiederholten Fehlgeburten ist meiner Meinung nach die seelische Unterstützung. Ich habe lange auf Antworten gewartet, um zu verstehen, warum ich meine Wunschkinder ziehen lassen musste. Mittlerweile habe ich dieses dicke Ausrufezeichen hinter meinen Fragen und doch fühlt es sich nicht besser an.

Eine mitfühlende Ärztin/ Hebamme kann in dieser Zeit sehr hilfreich sein. Meine Erfahrungen zeigen aber, dass vor allem Ärzte sehr sachlich sind, vor allem wenn man eine Fehlgeburt in einer sehr frühen Schwangerschaftswoche hatte. Meine damalige Gynäkologin etwa war mir gegenüber immer sehr kühl und verstand meine Traurigkeit nicht. Sätze wie "..damit müssen Sie eben rechnen.." sorgten für zusätzlichen Seelenschmerz.

Doch sie hatte leider recht. Etwa 15 % der medizinisch festgestellten Schwangerschaften enden als Fehlgeburt. Es gibt auch Schwangerschaften, die nur im Labor nachgewiesen werden können.

Auf der Suche nach Hilfe klopfte ich zunächst bei meiner Krankenkasse an. Diese schickte mir nach knapp 2 Monaten eine Liste mit Psychologen zu. Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kann ich jedoch keinen dieser Therapeuten, die allesamt 130 km entfernt sitzen, einen Besuch abstatten. Daher habe ich mich erstmal für eine Beratungsstelle von pro familia entschieden. (mehr dazu in Kürze)

 

Beisetzung im Sternenkindergrab

 

Wie es im Allgemeinen nach einer Fehlgeburt weiter geht, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ich beispielsweise habe mich nach meinen Fehlgeburten für eine Beerdigung meiner Kinder entschieden. In meiner Gegend kümmert sich ein Hospizdienst um die Trauerfeier und Beisetzung in einem Sternenkindergrab. Des Weiteren habe ich unseren Kindern Namen gegeben und spreche sehr offen und ehrlich über die Ereignisse. Online (beispielsweise Instagram) gibt es eine große Community, die sich intensiv mit dem Thema Sternenkinder befasst und tröstende Worte bereithält. Da ich im Familien- und Freundeskreis auf sehr viel Ablehnung diesbezüglich stoße, hat mir der Kontakt zu anderen Betroffenen sehr geholfen. Auf diese Weise sind auch tolle Freundschaften entstanden, die man keineswegs mehr missen möchte. Zu Guter Letzt bleibt nur der Rat: ausruhen, verarbeiten und weinen. Eine Fehlgeburt, vor allem mehrere aufeinanderfolgende, ist sehr belastend. Daher sollte man sich so viel Zeit wie nötig nehmen, um den Verlust zu verarbeiten. Dabei ist es vollkommen egal in welcher Schwangerschaftswoche man sein Kind verloren hat. Jedes Leben zählt!

Janine

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14 comments

  • Sandra Jessen says:

    Ich kann es immer noch nicht fassen, dass man dir solche Sätze entgegengebracht hat. Das macht mich wütend und traurig. Egal, in welcher Schwangerschaftswoche seinen Stern verloren hat.. es tut weh und braucht Zeit.. ich fühle so mit dir, liebe Janine ..

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    • Janine says:

      Oh glaub mir, der Satz war noch harmlos XD mir hat bei der letzten Untersuchung die Sprechstundenhilfe gesagt "Bei dem Gewicht brauchen Sie sich nicht wundern das alle sterben!".

      Ja, ich habe Rundungen aber rolle nicht durch die Gegend. Der Satz hat mich so krass getroffen, dass ich tagelang nicht mehr essen konnte und sofort alles "ausgekotzt" habe, wenn ich doch mal einen Bissen zu mir genommen habe.

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  • Silke wiehle says:

    Ich hatte ca 1 Woche nach einen positiven Ultraschall starke Krämpfe und Blutungen. In der Klinik wurde ich hin und her geschickt. Entlich beim Frauenarzt sagte die Ärztin : ist halt so. Sie haben eine 50 50 Chance, das kind zu verlieren. Und gehen sie jetzt nach Hause und zu ihrem Frauenarzt. Der war total toll. Hat gesagt: alles wird gut und hat mir ejnen mutterpass ausgestellt und mich erst mal krank geschrieben. Ich hatte das Glück, dass alles gut gegangen ist. Aber gerade im Krankenhaus und gerade von einer Frau hätte ich mehr Feingefühl erwartet

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    • Janine says:

      Das kann ich nachvollziehen. Im Krankenhaus habe ich zum Glück sehr freundliche Menschen erlebt, ich bekam sogar ein Einzelzimmer nachdem man Conner "rausgeholt" hat.

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  • Alexandra says:

    Ich möchte dich einfach mal in den Arm nehmen und festhalten, denn ich kenne die blöden Leute mit ihren noch blöderen Ansichten und Aussagen. Fühl dich einfach verstanden ❤️

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    • Janine says:

      Danke, das ist wirklich sehr lieb <3

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  • Barbara says:

    Ich kenne das leider auch von meiner Tochter. Bei ihr wussten wir aber schon früh, das es Probleme beim Kinderwunsch geben würde. Nachdem sie ihr 3. Kind in der 19. Woche gebären musste und es leider starb, zuvor hatte sie 2 Fehlgeburten in der frühen Schwangerschaft, hat sie eine Therapie in einer Tagesklinik gemacht. Anders hätte sie es nicht verarbeiten können und wäre nicht bereits gewesen für eine weitere Schwangerschaft.
    Ihr hat das Netz leider übel mitgespielt, sie war damals auch in einem Sternenkinderforum und wurde da sehr schlimm behandelt.
    Obwohl sie mit uns reden konnte und auch mit Freunden, hat es lange gedauert, bis sie sich geöffnet hat.
    Trotz der schlimmen Erfahrungen hat sie heute eine wunderschöne Tochter, aber ihre Sternchen sind auch immer präsent und das ist auch ok, sie gehören zu ihr.
    Ihr hat damals sehr geholfen, das sie ihre Kinder beim Standesamt melden konnte und eine Bescheinigung bekam, das es sie gab, mit Namen und Geburts- und Todesdatum.

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    • Janine says:

      Das tut mir Leid zu lesen. Ich habe auf Instagram (bspw) auch unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Man sollte eigentlich meinen das man respektvoller miteinander umgeht, wenn man das gleiche bzw ein ähnliches Schicksal teilt, aber dem ist nicht so. Auch hier auf dem Blog muss ich zig Anfeindungen wahrnehmen, leider auch unter diesem Beitrag (wurde von mir entfernt). Manche Menschen sollten einfach nochmal in den Spiegel gucken und darüber nachdenken.

      Aber es freut mich zu lesen das sie eine Tochter mittlerweile hat :)

      Ich möchte meine Sternchen auch beim Standesamt anmelden. Glaube das hilft auch nochmal bei der Verarbeitung :)

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      • Barbara says:

        Es tut mir unendlich leid, das du hier auch solche Kommentare bekommen hast, für mich ist das unverständlich. Selbst wenn man solch eine Erfahrung nicht machen musste, sollte doch eine gewisse Empathie vorhanden sein.
        Wenn du mal reden magst, kannst du dich gerne melden.

        Ich hab selbst auch Kinder verloren, es aber bis zum Verlust meiner Enkel verdrängt. Da sprach man einfach nicht drüber.

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  • Vanessa says:

    Oh man, am liebsten würde ich dich jetzt umarmen. Sitze hier mit Tränen in den Augen. Ich kann dich so gut verstehen, ich hatte 5. FG in Folge. Danach habe ich nun 2 gesunde Jungs. Aber die Sternchen sind immer gegenwärtig.
    Ich drücke euch ganz doll die Daumen für eine erfolgreiche und schöne SS.
    LG Vanessa

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    • Janine says:

      Wow, fünf Fehlgeburten..wie hast du das geschafft :(
      Aber es freut mich zu lesen das du mittlerweile 2 gesunde Jungs hast.

      Vielen lieben Dank für deine Worte :)

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  • Ivonne says:

    Ich kann echt nicht verstehen, wie man als Arzt oder Mensch so gemein sei kann. Du weisst, dass ich dir nichts mehr wünsche, als dass du endlich glücklich wirst.

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    • Janine says:

      Manchmal wirklich nicht schön, aber das bin ich irgendwie schon gewohnt. Unter diesen Beitrag gab es auch einige nicht so schöne Kommentare die ich bewusst gelöscht habe XD bsp: "Wie man bei sowas rumheulen kann!"

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  • Nicole says:

    Liebe Janine!

    Ich möchte dir gerne auch meine Geschichte erzählen.

    Mein Mann und ich versuchten 11 Jahre lang ein Kind zu bekommen. Von Monat zu Monat versuchten wir uns immer wieder Mut zumachen.

    Rundherum wurden unsere Freunde Eltern. Wir wollten uns so gerne mit ihnen freuen aber es wurde mit zunehmender Zeit nicht mehr so einfach. Dadurch gingen auch einige Freundschaften in die Brüche.

    Viele Jahre vergingen und so beschlossen wir in eine Kinderwunschklinik zu gehen.

    Nach vielen Untersuchungen und Blutabnahmen hat sich dann herausgestellt, dass bei mir die sogenannten KIR-Gene nicht passten.
    Mit dem nächsten Eizellentransfer musste ich zusätzlich Medikamente bekommen. Und mit Hilfe dieser, hat der 4. Transfer geklappt.
    Unsere Zwillinge sind nun 22 Monate.

    Ich möchte dir sagen, dass es toll ist, dass du so offen mit diesem Thema umgehst. Unsere Erfahrung ist, dass es sehr vielen unangenehm ist darüber zu reden obwohl das Reden zum Verarbeitungsprozess gehört.

    Ich wünsche dir alles Gute.

    LG Nicole

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